Tunnel

aus DerMoba, der Wissensdatenbank für Modellbahner
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Tunnels sind auf vielen Modellbahnanlagen zu finden. Sie dienen im Modell häufig dazu, Züge "verschwinden" zu lassen oder zu kleine Gleisradien zu kaschieren. Tunnels auf Modellbahnanlagen können zu optischen oder betrieblichen Problemen führen, wenn sie falsch angelegt werden. Der folgende Artikel gibt Hinweise zur praktischen Ausführung.



Funktion

Vorbild

Der Bahnbau beim Vorbild ist einigen Zwängen hinsichtlich der Streckenführung unterworfen. So dürfen z. B. bestimmte Mindestradien nicht unterschritten oder maximale Steigungen nicht überschritten werden. Im bergigen Gelände werden Tunnels daher dort angelegt, wo ein Berg nicht mit einer anderen Streckenführung umgangen werden kann. Der Bau von Tunnels ist aufwendig und teuer. Man versuchte daher stets eine Alternative zu finden. Dies konnte auch den Bau eines Einschnitts anstelle eines Tunnels bedeuten.

Im Rahmen der Streckenelektrifizierung mußten zahlreiche Tunnels aufgrund des notwendigen Platzbedarfs umgebaut werden. Dazu wurden z. T. die Tunnelsohlen tiefer gelegt (z. B. Schwarzwaldstrecke oder Tauerntunnel), zweite Tunnelröhren angelegt (z. B. Loreleytunnel) oder der Tunnel aufgeschlitzt, d. h. in einen offenen Einschnitt umgebaut. Ausserdem wurden (vor allem in Österreich, wo ja deutlich längere Tunnels zu finden sind)in den letzten Jahren die Sicherheitsanforderungen deutlich erhöht, so dass Rettungsstollen bzw. aufwendig belüftete Fluchträume geschaffen wurden sowie ausserhalb von Tunnels auf separaten Gleisen permanent Rettungszüge bereitgestellt. Bei der Streckenbegradigung auf der Tauernbahn-Südrampe oder auch auf der italienischen Seite der Brennerbahn wurden zahlreiche Tunnels neu angelegt - nicht zuletzt, da mit heutigen Mitteln die Kosten des Tunnelbaus niedriger sind als die Nachteile langsamer Bahnstrecken wiegen.

Modell

Im Gegensatz zum Vorbild ist bei der Modellbahn meistens zuerst der Gleisplan vorhanden, um den herum die Landschaft gebaut wird. Dabei ist die Landschaft stets so anzulegen, daß sie einen glaubwürdigen Rahmen für die (in Wirklichkeit ja erst später angelegte) Bahnstrecke bildet. Daraus folgt, daß der Betrachter den Eindruck gewinnen muß, daß ein Kunstbauwerk (wie Brücke oder Tunnel) unbedingt notwendig ist und daß es keine weniger aufwendige Streckenführung geben konnte. Verletzt man diesen Grundsatz, wirken Tunnels oder Brücken nicht richtig. Leider werden Brücken und Tunnels vielfach auf Modellbahnen ohne Berücksichtigung dieses Grundsatzes plaziert. Eine mit Tunnels übersähte Landschaft wirkt kaum harmonisch. Siehe hierzu auch die Vorüberlegungen im Artikel Landschaftsbau.

Neben ihrer landschaftlich gestalterischen Funktion werden Tunnels auf der Modellbahn häufig noch für weitere Zwecke eingesetzt. So läßt sich z. B. mit einem Tunnel kaschieren, daß die Bahn eigentlich nur im Kreis fährt. Dazu kombiniert man das Gestaltungsmittel "Tunnel" mit einem Schattenbahnhof, einem unsichtbaren Abstellbahnhof, der dafür sorgt, daß nicht derselbe Zug unmittelbar wieder aus einem anderen Tunnelportal hervorkommt. Dadurch wird dem Betrachter suggeriert, der Zug habe die Anlage auf seiner Fahrt quasi verlassen.

Wenn mit einem Tunnel nur ein zu enger Gleisradius kaschiert werden soll, kommen auch andere Gestaltungsmittel in Betracht. So läßt sich die Kurve beispielsweise in einem vom Betrachter schlecht einsehbaren Einschnitt führen oder durch Häuser oder einen Wald verdecken. Unter Umständen genügt eine günstig plazierte Häusergruppe, um dem Betrachter vom Anlagenrand aus die Sicht auf eine Kurve zu nehmen oder davon abzulenken.


Querschnitt

Die NEM 105 "Tunnelprofile für Normalspurbahnen" legt eine Empfehlung für den notwendigen Tunnelquerschnitt fest, mit dem ein sicherer Betrieb möglich ist. Diese Norm enthält Formeln und Skizzen, nach denen man das Tunnelprofil mit Taschenrechner, Lineal und Zirkel individuell konstruieren kann. Kriterien sind:

  • Nenngröße
  • Gleisabstand
  • Gerade oder Bogen (Radius)
  • Fahrleitung ("Oberleitung")

Relevante Normen:


Portal

Ausführungen

Da Tunnels beim Vorbild häufig zeitgleich mit dem Streckenbau erfolgten, sind sich die Portale entlang einer Strecke häufig architektonisch ähnlich, wenngleich sie an die jeweilige örtliche Situation angepaßt sein müssen. Auch das Baumaterial ist häufig identisch und sollte zu der auf der Anlage nachgebildeten Landschaft passen, da das Baumaterial oft in nahegelegenen Steinbrüchen gewonnen wurde. Portale von Privat- und Kleinbahnen sind häufig schmuckloser als die von Staatsbahnen.

Zur Auflockerung und zur Gestaltung verschiedenartiger Tunnelportale auf einer Anlage gibt es verschiedene Möglichkeiten.

  • Flügelmauern (Stützmauern) zum Abfangen des seitlichen Gebirgsdrucks. Da Tunnelbau teuer war, versuchte man, die Tunnels so kurz wie möglich zu halten. Dazu war häufig der Bau von vorgezogenen Stützmauern notwendig.
  • Führung einer zweigleisigen Strecke in zwei getrennte Röhren (z. B. Loreleytunnel)
  • Annahme einer anderen Bauzeit der Nebenbahn gegenüber der Hauptbahn

Da Tunnelportale bei Eisenbahnfotografen als Motiv beliebt sind, gibt es in Eisenbahnfotobüchern zahlreiche Abbildungen, an denen man sich für das Modell orientieren kann.

An dieser Stelle nochmal als Anregung ein Hinweis auf die Tauernbahn: die Nordeinfahrt wurde vor einiger Zeit verlegt, das alte Portal hat man als Denkmal am ursprünglichen Ort stehen lassen. Bild

Industriemodelle

Die Zubehörhersteller liefen eine große Auswahl von Tunnelportalen. Als Auswahlkriterien müssen bedacht werden:

  • Nenngröße
  • Eingleisige oder zweigleisige Strecke
  • Fahrleitung
  • Passen Baustil und gedachtes Baujahr der Modellstrecke bzw. des Modelltunnels zu dem ausgewählten Modell?
  • Paßt das nachgebildete Baumaterial des Portals zu der nachgebildeten Landschaft?

Insbesondere zweigleisige Portalmodelle für Fahrleitungsbetrieb sind häufig viel zu groß ("Scheunentor"). Hier ist zu prüfen, ob der Einsatz von 2 getrennten eingleisigen Tunnelportalen vorteilhaft ist. Außerdem kann man die Fahrleitung versuchen abzusenken und nur den Fahrdraht im Tunnel zu führen. Unter Umständen kann man dann auf Modelle ausweichen, die nicht für Fahrleitungsbetrieb gedacht sind und folglich kleiner ausfallen.

Selbstbau

Die im Abschnitt "Industriemodelle" genannten Kriterien gelten selbstverständlich auch für Selbstbaumodelle von Tunnelportalen. Indes ist man mit der Gestaltung wesentlich freier. Dies ist häufig notwendig, wenn man die Strecke nach einem konkreten Vorbild baut. Als Baumaterial bieten sich käufliche Mauerplatten oder eigene Gipsmodelle an. Die Gipsmodelle können entweder geritzt werden oder aus Silikonformen abgegossen werden. Es ist auch möglich, ein Portal z. B. aus kleinen Schieferplättchen aufzumauern. Das prinzipielle Vorgehen unterscheidet sich nicht vom Gebäude-Selbstbau.

Details

An den Tunnelportalen ist häufig die Jahreszahl des Baus eingemauert. Außerdem befinden sich oft Schilder mit dem Tunnelnamen und der Tunnellänge an den Portalen. Solche Schilder lassen sich mit einem Grafikprogramm einfach erstellen.


Tunnelröhre

Der Eindruck eines Tunnels kann nachhaltig gestört sein, wenn der Betrachter nicht den Eindruck einer Röhre bekommt, sondern nur ein Loch in der Landschaft sieht. Es ist daher wichtig, auch die Tunnelröhre selbst auf dem ersten Stück (ca. 20-30 cm in H0) nachzubilden. Wie lang dies tatsächlich sein muß, hängt davon ab, wie weit der Betrachter in den Tunnel hineinschauen kann.

Die Röhre selbst wird am einfachsten aus Mauerkarton oder dünnen Schaumplatten mit Mauerstruktur gefertigt, die sich der Tunnelwölbung gut anpassen. Dazu montiert man im Abstand von z. B. 10 cm Holzspanten, die dem Tunnelquerschnitt entsprechen.

Der Tunneleindruck wird auch durch von innen einfallendes Licht zerstört. Durch Blenden muß man gegebenenfalls dafür sorgen, daß dies nicht passiert.


Eingriffsmöglichkeiten

Auch in Tunnels und unterirdischen Abschnitten kommt es immer wieder zu Störungen des Modellbahnbetriebs. Die Gleisverlegung und Verdrahtung muß in solchen Abschnitten mit erhöhter Aufmerksamkeit durchgeführt werden, da Änderungen nach dem Überbauen der Gleise mit der Landschaft deutlich schwieriger sind.

Durch entsprechende Wahl des Unterbaus (siehe 1x1 des Anlagenbaus) muß man sicherstellen, daß man auch nach dem Überbauen von der Seite oder von unten an die Tunnelstrecken herankommt. Daher eignet sich die Spantenbauweise in solchen Bereichen deutlich besser als die Plattenbauweise.

Galerie

Als Ergänzung zum Tunnel sei noch die sogenannte Galerie erwähnt. Diese Kunstbauten sind i.d.R. als einseitig offene "Überdachung" der Gleisanlage angelegt, um vor Lawinen bzw. Bergstürzen/Steinschlag zu schützen und finden sich oft im Anschluss an einen Tunnel. Bei knapp innerhalb einer Felswand liegenden Tunnels wurde gelegentlich die Tunnelwand zur Felswand hin durchbrochen, so dass ebenfalls eine Galerie entsteht und eine gute Durchlüftung sichergestellt ist (was gerade in Zeiten der Dampfloks sehr wichtig war).


Fahrleitung

Führt eine Strecke mit Fahrleitung durch einen Tunnel, gibt es beim Vorbild verschiedene Möglichkeiten der Führung. Bei ausreichendem Platz werden bei zweigleisigen Strecken am Tunnelscheitel Hängestützen montiert, an denen ein in der Höhe reduziertes Kettenwerk befestigt ist. Eine andere, seltenere Variante ist es, nur den Fahrdraht im Tunnel zu führen. Das Tragseil wird dabei am Tunnelportal abgespannt.

Sofern einige Modelloks auf der Anlage per Fahrdraht betrieben werden, muß auch in den unterirdischen Bereichen eine Fahrleitung gebaut werden. Diese ist aus Kostengründen häufig eine robustere "Tunneloberleitung", die mit verschiedenen Mitteln einfach selbst gebaut werden kann. Falls die Fahrleitung im Tunnel nicht weitergeführt wird, aber Fahrzeuge mit gehobenem Stromabnehmer verkehren, ordnet man am unsichtbaren Beginn der Tunnelröhre schräg nach oben gebogene Auflaufhörner im Winkel von ca. 15° an, an denen die gehobenen Stromabnehmer langsam in die niedrigere Fahrdrahtlage heruntergeführt werden.


Literatur

  • MIBA-Spezial 38: Brücken, Mauern und Portale; November 1998