Colonel von Ryans Expreß

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  • Titel: Colonel von Ryan´s Expreß (Von Ryan´s Express), Farbe, USA 1965
  • Genre: Kriegsfilm
  • Regie: Mark Robson
  • Stars: Frank Sinatra, Trevor Howard


Rezensent: Moritz Gretzschel

Handlung

Italien im zweiten Weltkrieg. Der amerikanische Flieger Colonel Ryan (Frank Sinatra) ist der ranghöchste Gefangene in einem italienischen Kriegsgefangenenlager voller Engländer. Im Gegensatz zu den unnachgiebigen Engländern fährt er einen Kurs des geringsten Widerstandes gegenüber der Lagerleitung, was ihm den Schimpfnamen "von Ryan" einträgt. Nach einem mißglückten Fluchtversuch und erneuter Gefangennahme durch die Deutschen werden sie in einen Güterzug gepfercht, um über den Brenner ins Reich gebracht zu werden. Es gelingt den Gefangenen den Zug zu kapern und in Verkleidung entsprechende Fahrbefehle zu erschleichen, um den Zug über Mailand in die neutrale Schweiz umzudirigieren. Ein weiterer Zug voller deutscher Soldaten nimmt, als der Schwindel auffliegt, die Verfolgung auf, und es kommt zu einer wilden und schließlich blutigen Eisenbahn-Verfolgungsjagd in den Alpen. Ein durchaus spannender Film, obwohl die Handlung nicht allzu schlüssig ist (zudem ist die Bahnlinie über den Maloja-Paß vollkommen fiktiv), und der Krieg im typischen Hollywoodstil der damaligen Zeit zu einer Art Heldensport verzerrt wird, wenn auch nicht gar so schlimm wie in manch anderem Kriegsschinken.

Bahnbezug

In der zweiten Hälfte spielt die Handlung in und um den Zug. Der Film wurde mit Unterstützung der italienischen Staatsbahn gedreht, wahrscheinlich deswegen ist das eingesetzte Rollmaterial durchaus authentisch und zeittypisch. Ryans Lokomotive ist eine 1'D-Dampflok der Baureihe Gr 735. Leider sind die Detail- oder Führerstandaufnahmen nicht allzu reichhaltig. Der Verfolgerzug wird von einer der bizarren Franco-Crosti-Loks Gr 743 gezogen, allerdings in einem albernen SS-Anstrich. Es gibt zwar einige fachliche und betriebliche Ungereimtheiten, aber es hätte alles noch viel schlimmer sein können.

Der eigentliche Höhepunkt des Films ist aber die abschließenden Verfolgungsjagd, in der wunderschöne Landschaftsaufnahmen von der Fahrt durch die wilde Gebirgslandschaft, durch Tunnel und über kühne Viadukte vorkommen. Gerade dies reizte mich, die Bahnstrecke zu identifizieren, an der diese Sequenz tatsächlich gedreht wurde. Und dies beinhaltet eine faustdicke und erstaunliche Überraschung: Die (nahezu gesamte) Verfolgungsjagd in den Alpen wurde auf der Strecke von Belluno nach Pieve die Cadore in den Dolomiten gedreht, deren charakteristischste Stellen sich eindeutig identifizieren lassen wie die Spaccata delle Tovanelle, eine nur wenige Meter breite Felsenkluft, die diagonal von einer Brücke durchstoßen wird. Auch der Landschaftstyp paßt. Und ganz am Ende, während schon der Abspann läuft, fährt der Zug auf eine idealtypische "schweizer" Landschaft zu, mit Bergen, Wäldern und einem See, in Wahrheit aber eben dem Cadore-See. Seltsam mutet jedoch nur die (durch Felssturz blockierte) Gitterträgerbrücke über eine aberwitzig steile Schlucht an, auf der die dramtischen Schlüsselszenen spielen: Weder kommt diese Stelle auf der genannten Strecke nach Cadore vor, noch paßt Felstyp und -farbe. Ein Studiomodell ist es aber auch nicht. Die verblüffende Lösung: Es gibt eine (bei Kletterern legendäre) Schlucht in Spanien, El Chorro nahe Malaga, die genau passen würde. Es gibt dort sogar den am Fels klebenden Steig, auf dem Ryan und seine Männer zunächst den Berg zu umgehen versuchen: El Camino del Rey, benannt nach König Alfonso XIII, der darauf 1921 zur Besichtigung eines Staudammes schritt. Nur scheint dies aufgrund der spurweitemäßigen Inkompatibilität spanischen und italienischen Materials zunächst ausgeschlossen. Ein genaues Betrachten offenbart aber weitere Indizien, daß diese Sequenz mit einem spanischen Zug gedreht worden sein dürfte:


Ryans Zug besteht im gesamten restlichen Film aus den typisch italienischen Güterwagen mit Satteldach. Die Wagen, die man auf der fraglichen Brücke halten sieht, haben aber Tonnendächer.

Die Gr 735 hat runde Pufferteller sowie das typische "Gesicht" fast aller italienischen Dampfloks: Konische Rauchkammertür, die von einem relativ breiten zylindrischen Rand umgeben ist. Die auf der Brücke festgehaltene Lokomotive ist zwar immer nur kurz und ausschnittweise zu sehen (und hat unverkennbar italienische Stirnlampen), scheint aber rechteckige Pufferteller mit Loch in der Mitte zu haben, wie sie für spanische Loks typisch sind. Auch ist die Rauchkammertür eher gewölbt und der Rand schmaler. Wohl bewußt ist die Front immer durch Personen oder Felsbrocken halb verdeckt, so daß ein breiterer Abstand der Puffer nicht sichtbar wäre.

Ryans Gr 735 trägt im gesamten Film Windleitbleche (ähnlich dem deutschen Wagner-Typ), noch dazu auffällig bemalte. Windleitbleche waren in Italien aber vollkommen unüblich! Mit dem in Spanien verwendeten Typ würden sie aber genau übereinstimmen. Offenbar haben sie also nicht nur dazu gedient, Ryans Lok erkennbarer zu machen, sondern sie schon gewissermaßen darauf vorzubereiten, in der Schlüsselszene durch eine spanische Lok ausgetauscht zu werden!

Frank Sinatra war zwar eh kein Riese, aber zwischen den Schienen auf der Brücke liegend sieht er derart winzig aus, daß dies ebenfalls auf Breitspur hindeuten könnte. Aber hier könnte u.U. auch die Perspektive täuschen. Fraglich ist mir nur nach wie vor, wie das mit dem Bürowagen am Ende des Zuges (ein unverkennbarer italienischer Reisezugwagen in Castano-Isabella, mit zusätzlich montiertem "Balkon" am hinteren Ende) in dieser Szene gelöst wurde. Wechseldrehgestelle?

Fazit

All dies beweist jedoch, daß in diesem Film, so fragwürdig auch seine Handlung scheinen mag, ungeheuer große Sorgfalt und Sachverstand am Werke war, die Bahnszenen zumindest einigermaßen glaubwürdig zu gestalten. Wenn man vergleicht, was in anderen Action- oder Kriegsklamotten für haarsträubender Unsinn verzapft wurde, wie Elloks ohne Fahrdraht, völlig falsche oder fiktive Lackierungen oder Beschriftungen, gröbste zeitliche Stilbrüche usw, dann ist Colones Von Ryan´s Expreß fast schon ein Juwel dagegen. Sehenswert daher allemal.

Subjektive Bewertung (von 1 bis 5)

Film insgesamt: ***

Menge an Bahnszenen: ****

Qualität der Bahnszenen: ****